
Übersicht der Historie
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Drahtlose Telegrafie -
Die Voraussetzung für den Seefunkdienst -
1907-1924 Die Anfangsjahre der Funkentelegraphenstation Norddeich
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1925-1939 Neue Empfangsfunkstelle in Utlandshörn
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1940-1957 Rundfunksender in Osterloog
und der "Papst-Finger" in Norddeich -
1958-1967 60Jahre Norddeich Radio -
Tag der Offenen Tür in Norddeich -
1968-1979 Die Sendefunkstelle Norddeich wird geschlossen
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1980-1998 Das langsame Ende des Seefunkdienstes
1907-1924 Die Anfangsjahre der Funkentelegraphenstation Norddeich
1905
Am 15. September 1905 kauft das Postamt Norden im Auftrag des Reichspostamts ein Gelände in der Gemeinde Norddeich. Dort wird ein zweigeschossiges Betriebsgebäude errichtet und vier 65 Meter hohe Sendemasten. Telefunken liefert zunächst zwei Sender.
Antennenbau 1905
1906
Im April 1906 werden in Norddeich erste Versuchssendungen durchgeführt.
Auf der internationalen Funktelegrafiekonferenz (3. Oktober bis 3. November 1906 in Berlin) schliessen 30 Nationen den ersten internationalen Funkvertrag ab.
Eine wichtige Übereinkunft besteht darin, dass Küsten- und Bordstationen verpflichtet werden, Funkverkehr von jeder Funkstation (Marconi oder andere) zuzulassen.
Die Frequenz 500khz wird für den öffentlichen Nachrichtenaustausch festgelegt.
Das internationale Notzeichen "SOS" wird eingeführt.
Als Datum für das Inkrafttreten der Vereinbarungen wird der 1. Juli 1908 festgelegt.
1907
März: Ausbreitungsversuche mit dem Kreuzer "Vineta" verlaufen positiv.
S.M.S. "Vineta"
Am 30. April 1907 werden die technischen Einrichtungen der Funkentelegraphenstation Norddeich von der Kaiserlichen Reichspost abgenommen.
Am 1. Mai nimmt die Station den Funkverkehr mit Marineschiffen auf und am
1. Juni 1907 wird der "allgemeine öffentliche Seefunkverkehr" eröffnet. Das Rufzeichen der Station ist "KND".
"Die Küstenfunkstelle Norddeich Radio und alle Mitarbeiter der Station
werden für fast ein Jahrhundert der Knotenpunkt für
Verbindungen zwischen Menschen an Land und auf See sein."
Die spätere Seenotfrequenz 500khz wird ständig abgehört. Und das mit 5 Mann Besatzung (1 Beamter für die Maschinen und 4 Telegraphenbeamte). Das bedeutete 2 Schichten von jeweils 12 Stunden Dauer! Dazu kam noch, dass das Senden mit den Knallfunkensendern einen ohrenbetäubenden Lärm verursachte, der im Freien noch kilometerweit zu hören war.
1910
Ein eingeschossiger Anbau wird fertiggestellt und von Telefunken ein neu entwickelter Löschfunkensender geliefert. Damit wird die Lautstärkenproblematik ein wenig gelindert.
1911
Die Funkentelegraphenstation Norddeich wird selbständige Telegraphenanstalt.
Ab März erste Aussendung von Zeitsignalen und "Nachrichten für Seefahrer".
Ab November zwei mal täglich ein Wetterbericht und Sturmwarnungen sofort nach Eingang.
Ab Dezember folgt die Verbreitung Nautischer Warnnachrichten.
1912
4. Juni - 5. Juli Dritte Internationale Funkkonferenz in London. (Nur Wochen nach dem Untergang der "Titanic" am 15. April.)
Verkehrspflicht: Jede Bordfunkstelle muß mit jeder anderen Bordfunkstelle (und Küstenfunkstelle) verkehren. Egal welches System (Marconi oder anderes) an Bord ist.
Seenotrufe (SOS) sind auf 500khz zu senden.
Seenotpause 3 Minuten nach der 15ten und 45ten Minute jede Stunde.
Das Seenotzeichen lautet SOS (im Morsecode ...---... 3xkurz, 3xlang, 3xkurz). Die Marconi-Station der Titanic hatte auch "CQD" benutzt.
Die Funkentelegraphenstation Norddeich erhält ersten Lorenz Sender. Erste Sprechfunkversuche ergeben eine Reichweite von 30 - 40 km.
1913
Die Funkentelegraphenstation Norddeich führt ab dem 1. Juli 1913 das Rufzeichen "KAV" (bisher "KND"), wie es auf der Dritten Internationalen Funkkonferenz in London beschlossen wurde.
1914
Ende der Londoner "Titanic Schiffssicherheits-Konferenz". Ergebnis: "Internationaler Vertrag zum Schutz des menschlichen Lebens auf See" (International Convention for the Safety of Life at Sea, Abk.: SOLAS)
Am 1. August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg.
1914
Am 1. August 1914 übernimmt die Kriegsmarine die Funkstation in Norddeich.
1918
Am 11. November 1918 endet der Erste Weltkrieg
1919
Im März nimmt die Hauptfunkstelle Norddeich den öffentlichen Funkverkehr wieder auf.
1920
Ab Januar Ausstrahlung eines umfangreichen Pressedienstes
1921
Die Hauptfunkstelle Norddeich sendet den Schiffen auf Verlangen Peilzeichen für die Bordpeiler.
Meldungen über die Lage guter Fanggründe für Heringe (Heringstelegramme) werden verbreitet.
Der Wetterbericht wird auch im Sprechfunkverkehr ausgestrahlt.
1922
Im Langwellenbereich Versuche mit "Cap Polonio". Wechselverkehr am Tag bis Eingang der Biscaya, nachts bis Las Palmas. Daraufhin wird der „Öffentliche Seefunkverkehr für große Entfernungen“ zugelassen.
DREISCHRAUBEN - SCHNELLPOSTDAMPFER "CAP POLONIO"
1923
Der Funkverkehr mit der Handelsschiffahrt wird immer umfangreicher. Die Sender der Hauptfunkstelle Norddeich stören die eigenen Empfänger. Eine Trennung von Sende- und Empfangseinrichtung ist notwendig. Am Stadtrand von Norden, in Westgaste, wird deshalb eine provisorische Empfangsanlage gebaut.
1924
Anfang Februar wird die Empfangsfunkstelle Westgaste in Betrieb genommen.
Empfangsfunkstelle Westgaste - Gebäude
Empfangsfunkstelle Westgaste 1924
1925-1939 Neue Empfangsfunkstelle in Utlandshörn
1925
Ab. 1. Januar wird der Dienst "Seefunkgespräche" eingeführt. Die Empfangsfunkstelle Westgaste ist in der Lage, solche Gespräche auch in das öffentliche Fernsprechnetz zu vermitteln.
Bei der "Sendefunkstelle Norddeich" werden vier 150m hohe Antennen gebaut. Drei davon stürzen in einem Sturm am 25.11. um.
Die schnelle Weiterentwicklung der Funktelegraphie und des Funkfernsprechwesens machte es notwendig, die Hauptfunkstelle Norddeich immer wieder mit neuen oder verbesserten Geräten auszurüsten. So wurde, um störende Überlagerungen der Langwelle zu beseitigen, ein neuer Goniometer-Empfänger für Richtempfang eingebaut und im Jahre 1928 in Betrieb genommen.
Den zunehmend auftretenden Störungen durch elektrische Geräte und Maschinen begegnete man durch eine Verlegung der Empfangsantennen auf die Nordseite des Empfangshauses in Westgaste. Ein zweiter 5-kW-Röhrensender traf ein, für den an den Senderaum eine Baracke angebaut werden musste. Bald darauf wurde ein neues, größeres Sendehaus gebaut. Zwei neue Langwellensender von 10 und 20 kW, die für Drehstrombetrieb eingerichtet waren, verlangten den Bau neuer Antennen.
1924 erteilte das Reichspostzentralamt Berlin-Tempelhof (Telegraphentechnisches Reichsamt) einen Auftrag an die „Honnef-Werke AG Dinglingen", zum Bau von vier 150 m hohen, freistehenden Türmen.

Der Planungsentwurf der Honnef-Werke v. 1924 (Quelle: Virtuelles Brückenhofmuseum)
Im Jahr 1925 wurden unter großen Schwierigkeiten (die Baustelle stand unter Hochwasser) drei der vier vorgesehenen Antennentürme erbaut.
Die drei fertig gestellte Masten (und ein sich im Bau befindlicher Mast am rechten Rand)
Als der Bau fast vollendet war, legte ein starker Nordoststurm in der Nacht vom 25. zum 26. November alle drei Eisenmasten innerhalb von 30 Minuten um. Glück im Unglück war es, dass die stürzenden Türme nicht die Gebäude trafen und keinen Menschen verletzten.
Die Trümmer der umgestürzten Masten (und der sich im Bau befindliche Mast am rechten Rand)
Aber der Sendebetrieb war durch dieses Unglück schwer betroffen. Die neuen Langwellensender konnten nicht in Betrieb genommen werden. Man baute aus den Eisenteilen des vierten Mastes zwei 70 m hohe Behelfstürme, die erst 1928 durch drei neue freistehende Masten von 120 m Höhe ersetzt wurden.
Auf diesem undatierten Foto sind die drei neuen 120 m hohe Masten und, wie ich vermute, die zwei 70 m hohen Behelfstürme (zweiter von rechts und zweiter von links) zu sehen.
Nach seinen Berechnungen, die in der Fachzeitschrift DER BAUINGENIEUR vom 10. September 1926 veröffentlicht wurden, kommt Professor Kirchner, Berlin-Steglitz, zu seiner Vermutung, dass eine „Zu niedrige Annahme der Windangriffsflächen“ für dein Einsturz der Türme ursächlich seien. Hier wird auch auf ein Gutachten der Deutschen Seewarte hingewiesen. In der Nacht soll zwar ein recht heftiger (Borkum Windstärke 10-11), jedoch keineswegs ungewöhnlich heftiger Sturm aufgetreten sein. Auch ein „Abdrehen“ der Türme durch Sturmwirbel wird ausgeschlossen.
Quellen:
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Broschüre 50 JAHRE NORDDEICH RADIO
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Virtuelles Brückenhofmuseum (Herzlichen Dank an Dieter Mechlinski)
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Fachzeitschrift DER BAUINGENIEUR Heft 37 v. 10. September 1926
Zum Anfang
1926
Die Hauptfunkstelle Norddeich erhält die ersten Kurzwellensender und -empfänger.
1927
Weltfunkkonferenz in Washington (4. Oktober bis 25. November 1927). Der Hauptfunkstelle Norddeich wird das neue Rufzeichen "DAN" zugeteilt (vorher "KAV").
Die Bestimmungen treten am 1. Januar 1929 in Kraft.
1928
Lt. Amtsblattverfügung 29/1928 der Reichspost steht bei Funktelegrammen nach See in der Anschrift (an letzter Stelle) die Bezeichnung "Norddeichradio".
Das Luftschiff "Graf Zeppelin" und später die "Hindenburg" beginnen den Funkverkehr mit Norddeichradio auf Kurzwelle.
Luftschiff "Graf Zeppelin" (LZ127)
Luftschiff "Hindenburg" (LZ129) - Funkkabine
1929
1. Januar: Die Bestimmungen der Weltfunkkonferenz in Washington treten in Kraft.
April/Mai: Zweite Schiffssicherheitskonferenz (auch zweite Titanic-Konferenz genannt) in London. Die verabschiedete "Internationale Konvention zur Sicherung des Lebens auf See" (International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS) ersetzt die vom 20. Januar 1914, die wegen des Kriegsausbruches nicht ratifiziert werden konnte.
Nach Inkrafttreten der Bestimmungen der Weltfunkkonferenz in Washington hat Norddeichradio ab 1. Januar 1929 das Rufzeichen "DAN".
Die Empfangsfunkstelle Westgaste erweist sich als zu nahe an der Stadt Norden gelegen. Die um sich greifende Industrialisierung mit den immer zahlreicher eingesetzten Elektromotoren, auch die immer stärker in die Haushalte kommenden Elektrogeräte - damals noch nicht "funkentstört" - verursachen einen chaotischen "Störnebel". Die Empfangsstation muß verlegt werden.
1930
Für die neue Empfangsfunkstelle kauft die Reichspost ein Grundstück in Utlandshörn.
Das Flugboot DO-X hat eine DEBEG-Funkstation an Bord und kann Telegramme über Norddeichradio absetzen.
Flugboot Dornier Do X
Do X - Funkkabine
Do X - Fluggasträume
1930
Am 8. Dezember 1930 wird die neue "Empfangsfunkstelle Utlandshörn" in Betrieb genommen.
Empfangsfunkstelle Utlandshörn